';
Am 10. Mai fand ein Weiterbildungskurs für Gemeinden, Planer und Fachleute zum Thema der...
Solaranlagen und Richtpläne
  1. Juni 2023

Ortsbildaufnahme von Bedigliora (TI-CH), Lokalität von nationaler Bedeutung, die im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung (ISOS) eingetragen ist. Quelle: Studio Habitat SA.

Verfasser; P. Bonomo, I. Zanetti (ISAAC-SUPSI)

 

Am 10. Mai fand ein Weiterbildungskurs für Gemeinden, Planer und Fachleute zum Thema der Integration von Solaranlagen in Richtpläne statt.

 

Dieser Kurs wurde gemeinsam von Swissolar, dem Schweizer Fachverband für Solarenergie, und dem DACD (Departement für Umwelt, Bau und Design) der SUPSI organisiert; dabei wurden sie von EnergieSchweiz und TicinoEnergia unterstützt.

 

In der Schweiz verzeichnet die Photovoltaik ein exponentielles Wachstum. Ende 2022 deckte sie fast 8 % des Stromverbrauchs ab, und Prognosen zeigen, dass sie in den kommenden Jahrzehnten eine noch bedeutendere Rolle im Hinblick auf eine sicherere und nachhaltigere sowie klimafreundlichere Energieversorgung spielen wird (derzeit beträgt der Anteil der Solarstromproduktion 1,2 TWh/Jahr, während für 2050 33,6 TWh/Jahr prognostiziert werden).

 

Aus verschiedenen Gründen muss vor allem das auf den Dächern und Fassaden der bestehenden Gebäude vorhandene Solarenergiepotenzial genutzt werden, das der Bund auf 67 TWh pro Jahr schätzt. Deshalb ist es wichtig, dass der geplante, weitere Ausbau nicht mit der Raumplanung kollidiert und unter Berücksichtigung der Qualität der Siedlungen erfolgt. Ein konstruktiver Dialog zwischen Raum- und Bauplanern und den Fachleuten für die Projektierung und Realisierung von Solaranlagen ist deshalb unerlässlich.

 

Die schweizerischen Bestimmungen, insbesondere das RPG (Bundesgesetz über die Raumplanung) und die RPV (Verordnung über die Raumplanung), regeln, welche Solaranlagen ohne Baubewilligung installiert werden dürfen. Für „ausreichend angepasste“ Anlagen ist bei den meisten Gebäuden lediglich ein Meldeverfahren erforderlich, sofern die Bestimmungen von Artikel 32a Absatz 1 und 1bis der RPV erfüllt sind.

 

In allen anderen Fällen oder wenn z.B. Solaranlagen auf Kultur- oder Naturdenkmälern von kantonaler oder nationaler Bedeutung oder in schützenswerten Gebieten errichtet werden sollen, ist eine Baubewilligung erforderlich. Die Anlagen dürfen aber dabei diese Objekte nicht wesentlich beeinträchtigen.

 

Grundsätzlich hat das Interesse an der Nutzung der Sonnenenergie in bestehenden oder neuen Gebäuden Vorrang vor ästhetischen Aspekten, d.h. Anforderungen an das äussere Erscheinungsbild dürfen eine solche Nutzung nicht verhindern oder einschränken.

Die Entwicklung der Technologie

In den letzten 40 Jahren hat sich der Wirkungsgrad von Photovoltaikmodulen aufgrund der technologischen Entwicklungen und der gesammelten Erfahrungen in der Photovoltaikindustrie erheblich gesteigert. Von Modulen mit einem Wirkungsgrad von weniger als 9% (Anfang der 1980er Jahre) ist man zu Produkten mit einem Wirkungsgrad von mehr als 22% (2023) gelangt.

 

Der Grund dafür ist, dass die Photovoltaikzellen zahlreiche technologische Innovationen erfahren haben. Darüber hinaus hat die Optimierung der Produktionsprozesse dazu beigetragen, die Kosten zu senken und die Effizienz von Photovoltaikmodulen zu verbessern. Die Automatisierung und die Einführung neuer Fertigungstechnologien haben eine effizientere und präzisere Grossproduktion ermöglicht. Darüber hinaus haben verbesserte Siliziumabscheidungsverfahren, der Einsatz fortschrittlicher chemischer und physikalischer Abscheidetechniken und optimierte Verbindungen zwischen den Materialien entscheidend zur Steigerung der Gesamteffizienz beigetragen.

Die SunPowerMaxeon-Module gehören zu den effizientesten Produkten auf dem heutigen Markt.

Die Farbe

Die Farbe der Photovoltaikzellen erlaubt eine grundlegende Flexibilität bei der Einbindung, wirkt sich aber auch auf den Wirkungsgrad des Photovoltaikmoduls aus. Im Vergleich zu einem herkömmlichen Modul kann der Wirkungsgrad je nach gewählter Farbe und Verarbeitungstechnik um 5 bis 30 % sinken. Es ist jedoch zu bedenken, dass durch die Nutzung grösserer Flächen und unterschiedlicher Ausrichtungen der Eigenverbrauch im Vergleich zu konventionellen Lösungen maximiert werden kann, wodurch sich auch der energetische und wirtschaftliche Wert erhöht.

 

Die in der folgenden Tabelle aufgeführten Daten beziehen sich auf die im Rahmen des ENHANCE-Projekts erzielten Ergebnisse. Dabei handelt es sich um ein vom Bundesamt für Energie finanziertes Projekt, dessen Hauptziel darin besteht, neue Testverfahren und deren Messunsicherheit zu bewerten sowie neue Ausrüstungen zu entwickeln oder bestehende Testinfrastrukturen an neue Modullösungen mit höheren Energieerträgen oder einem höheren ästhetischen Wert anzupassen. Im Vergleich zu den im vorigen Abschnitt genannten Werten sind die im Rahmen dieses Projekts gemessenen Werte höher, aber es handelt sich eben um spezielle Produkte. Für farbige Standardprodukte gilt eine Senkung von 5% bis 30%.

Prozentualer Verlust im Vergleich zu einem Standardmodul. Quelle: ENHANCE-Projekt.

Die Bedeutung des Dialogs

Der Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, Rechtsgrundlagen und gestalterische Anforderungen zu kombinieren, energetische und ästhetische Aspekte aufeinander abzustimmen und die Technik mit den Schutzanforderungen kompatibel zu machen. Während die Verfahren in Bau- und Landwirtschaftsgebieten ohne Sonderkriterien für den Schutz und die Erhaltung von Gebäuden und/oder der Landschaft vereinfacht und ordentlich sind, müssen Solaranlagen in Gebieten, die als Teil von Kultur- oder Naturdenkmälern von kantonaler oder nationaler Bedeutung unter Schutz stehen, bewilligt werden. Bei geeigneten technischen, materiellen und farblichen Lösungen, die heute massgeschneiderte Solaranlagen ohne Beeinträchtigung der Dach- und Umgebungslandschaft ermöglichen, ist trotz des allgemein konservativen Ansatzes eine respektvolle Einbindung in die traditionelle Bausubstanz möglich.

 

Im Tessin sind laut einer Statistik, die auf den über den Fünfjahreszeitraum 2017-2022 erhobenen Daten basiert, nur 5 Prozent der Solaranlagenprojekte negativ beschieden, davon:

 

  • 2.7 % betreffen Bauzonen: Dächer von eidgenössisch geschützten Ortskernen, Gebäude mit subventionierten Steindächern, Installationen an Fassaden, am Boden oder an Wänden;
  • 2.3 % beziehen sich auf Eingriffe ausserhalb der Bauzone: Verlegung auf dem Erdboden oder auf landschaftsprägenden Stützmauern.

 

Denn in Artikel 102 es Raumplanungsgesetzes heisst es: „Die kantonale Landschaft ist zu achten, zu schützen und aufzuwerten, insbesondere durch Wahrung ihrer Vielfalt, Qualität und Eigenart“. Da diese Eigenschaften oft unterschiedlich interpretiert werden können, ist es wichtig, willkürliches Handeln zu vermeiden, um diese Grundsätze auf der Grundlage objektiver Kriterien angemessen anzuwenden. Der Kontext wird zum Massstab, ein und derselbe Eingriff kann je nach Kontext eine grössere oder geringere Wirkung haben, bei grösserem qualitativen Wert werden höhere Anforderungen gestellt.

Solaranlagen in Ortskernen

Historische Ortsbilder, die 2 % der bebauten Fläche des Kantons Tessin ausmachen, sind Orte, deren Identitätsschutz und Wahrung traditioneller Werte im Allgemeinen als vorrangig gelten.

 

Die Oberfläche, die Form, die sprachliche und materielle Konsistenz und die Details einer in diesem Kontext installierten Solaranlage sollten im Allgemeinen sorgfältig ausgewählt werden, um sicherzustellen, dass die noch vorhandenen historischen Werte nicht durch die Anwesenheit von Anlagen beeinträchtigt werden, die einzig und allein für die Energieerzeugung hergestellt und nicht im Hinblick auf die architektonische Einfügung konzipiert wurden, wie es bei traditionellen Solaranlagen der Fall ist.

Angesichts des gesetzlichen Rahmens und der einschlägigen Rechtsprechung muss den eidgenössisch geschützten Ortskernen oder Siedlungen (ISOS-Inventar) grössere Aufmerksamkeit geschenkt werden: Die Qualität der Siedlung, das Erscheinungsbild der Dachlandschaft und nicht zuletzt die Summe der Auswirkungen der einzelnen Eingriffe müssen beurteilt werden.

 

Im Bereich der Planung unterstützt das Amt für Natur und Landschaft grundsätzlich die Gemeinden in ihren Entscheidungen und fordert zur Aktualisierung von Planungsvorschriften auf, die veraltet sind oder nicht mit dem föderalen Rechtsrahmen übereinstimmen. Es empfiehlt zudem, einen Regelungsrahmen zu definieren, der der technologischen Entwicklung Rechnung trägt (u.a. durch geeignete Ausnahmeregelungen für Einschränkungen in begründeten Fällen).

 

In Anlehnung an das RPG müssen Ortskerne mit hohem Denkmalwert, deren Dachgestaltung ein landschaftlich wertvolles Element darstellt, geschützt werden, und der Kanton kann Verlegebeschränkungen anordnen, die bis zu einem Totalverbot gehen können.

 

Wo Steindächer vorgeschrieben sind und der Kanton deren Bau subventioniert, ist die Installation von Solardachanlagen grundsätzlich ausgeschlossen. In solchen Fällen fordert die Behörde die Gemeinde auf, die Möglichkeit alternativer Lösungen kollektiver Art (z.B. Fernwärme) zur Unterstützung der Bewohner im Ortskern zu prüfen.

Morcote (TI), Ortsbild von nationaler Bedeutung. Das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung (ISOS) erfasst und dokumentiert die wertvollsten Siedlungen der Schweiz. Foto: © Schweiz Tourismus / Doyenne+david&kathrin.

Installationskriterien in Ortskernen

Seit 2008 ist die Installation von Solaranlagen durch das Bundesgesetz geregelt, um deren Nutzung als erneuerbare Energiequelle zu fördern. Art. 18a des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG), das in seiner aktuellen Fassung am 1. Mai 2014 in Kraft getreten ist, sieht vor, dass in Bau- und Landwirtschaftszonen Solaranlagen, die ausreichend an die Dachlandschaft angepasst sind, keiner Bewilligung bedürfen. Eine Bewilligung wird jedoch dann unerlässlich, wenn Anlagen Ortskerne, Kultur- oder Naturdenkmäler von kantonaler oder eidgenössischer Bedeutung betreffen.

 

Sofern keine aussergewöhnlichen historischen Werte vorliegen und es keine Verbote auf planungsrechtlicher Ebene gibt, ist die Installation erlaubt. Allerdings müssen die Lage des Gebäudes in der Gesamtlandschaft des Ortskerns und die Ansicht des Daches selbst achtsam geprüft werden. Die Fläche und Form der Anlage muss sorgfältig abgewogen werden; grundsätzlich muss die Ursprünglichkeit der Dacheindeckung und des Erscheinungsbildes wahrnehmbar bleiben.

 

Der Kanton hat über die Sektion für Raumentwicklung Richtlinien veröffentlicht, die die Beurteilungskriterien der Behörde kodifizieren und transparenter machen und so zu einem nützlichen Planungsinstrument werden.

 

Diese Bewertungskriterien werden ständig weiterentwickelt, sowohl aufgrund der sich ändernden Sensibilitäten der Menschen und der politischen Ziele im Zusammenhang mit der Klimanachhaltigkeit als auch aufgrund der Entwicklung der Technologien, die die Einbindung von Solaranlagen immer einfacher machen.

 

Oberfläche

  • die Anlage sollte vorzugsweise in einer regelmäßigen rechteckigen Form geplant werden;
  • mehrere Flächen sind nicht ausgeschlossen, aber die Anlage muss in einer geordneten Weise in Bezug auf die Gesamtgestaltung des Daches eingebunden werden;
  • die im Verhältnis zur Dachfläche stehende Gesamtgrösse der Anlage sollte gegenüber dem historischen und landschaftlichen Wert des Ortskerns und der Dachlandschaft  abgewogen werden.

Installationsmethoden

  • integriert oder aufliegend;
  • es ist ratsam, mindestens zwei Ziegelreihen auf allen Seiten, d.h. zur Traufe, zu den Kanten oder zum First hin, beizubehalten, damit ein Teil des bereits vorhandenen Bedachungsmaterials sichtbar bleibt und eine wahrnehmbare Verknüpfung mit den übrigen Dachflächen des Gebäudes herstellt;
  • die Befestigungen sollten unter der Dacheindeckung verborgen bleiben.

Farbe und Ausführung

  • Alle Rahmen sollten in der gleichen Farbe wie die Platten geplant werden;
  • die Oberfläche des Paneels sollte einheitlich und opak sein (keine Zellen oder strukturierten Linien);
  • der Reflektionsgrad sollte so gering wie möglich sein;
  • Je ähnlicher die Farbe des Paneels der Farbe des Daches ist, desto besser ist die Integration.

Bei diesem Pilotprojekt für ein Bauernhaus aus dem Jahr 1859 wurden farbige Photovoltaikmodule (Terrakotta) verwendet, die vom CSEM Neuchâtel speziell für historische Gebäude entwickelt wurden. Foto: Solstis.

Schlussfolgerungen

Die Möglichkeit, eine Fotovoltaikanlage auf einem Gebäude zu installieren, das aus landschaftlichen oder historischen Gründen unter Schutz steht, muss sorgfältig unter Berücksichtigung der Kompatibilität und der Besonderheiten des Standorts, seiner Werte und der geltenden Vorschriften abgewogen werden.

 

In diesen Fällen geht es oft nicht um eine herkömmliche Solaranlage, sondern darum, auf Komponenten- und Systemebene in einer genaueren Entwurfslogik zu argumentieren, die erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen bei den zuständigen Behörden zu prüfen und einen fairen und konstruktiven Dialog zwischen den Parteien zu führen. Sie können aufgefordert werden, einen förmlichen Antrag einzureichen und detaillierte Informationen über das Projekt vorzulegen, einschliesslich der technischen Angaben des zu verwendenden Produkts, der Konstruktionsdetails und der Auswirkungen der Anlage auf das Gebäude (z.B. durch Renderings oder Fotomontagen). Diese Informationen ermöglichen eine objektive Beurteilung der Eigenschaften einer Solaranlage im Verhältnis zu den Charakteristiken der Landschaft auf verschiedenen Ebenen, und zwar mit Hilfe von Analysedokumenten und Untersuchungsmethoden, die die Beurteilung objektivieren, insbesondere durch Gruppenbeurteilungen und nicht durch Einzelpersonen (Kommissionen),  mittels  Verwendung offizieller Richtlinien und eidgenössischer (ISOS, BLN, IVP) und kantonaler Inventare (Kulturdenkmale).

 

Ein konstruktiver Dialog zwischen den verschiedenen Beteiligten ist unabdingbar und ermöglicht es, auf objektive Weise eine gemeinsame Basis zu schaffen, auf der alle Akteure (Genehmigungs- und Vollzugsbehörden, Bevölkerung, Planer und Architekten) zusammenarbeiten, um die Grundregeln für eine konsequente Umsetzung des Landschaftsschutzes und die bestmögliche Einbindung dieser Lösungen in die jeweiligen Kontexte zu definieren.

Siehe auch
Image icon
Swissolar
Besuchen Sie die Seite
Image icon
SUPSI-DACD
Besuchen Sie die Website
Image icon
PDF Präsentationen
Besuchen Sie die Seite (IT)
Image icon
EnergieSchweiz
Besuchen Sie die Website
Image icon
TicinoEnergia
Besuchen Sie die Website
Kommentare
Share
SolAR